Katrin Eigendorf und Carl Gierstorfer
Mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2021 werden mit zwei Hauptpreisen die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf und der Dokumentarfilmregisseur Carl Gierstorfer für herausragende Reporter*in/Dokumentarfilmer*in-Leistungen in Brennpunkten aktuellen Geschehens ausgezeichnet.
Hanns-Joachim- Friedrichs-Preis 2021 an Katrin Eigendorf.
Die ZDF-Reporterin und Filmemacherin Katrin Eigendorf ist eine tragende Säule öffentlich-rechtlicher Krisenberichterstattung. In diesen Monaten beweist sie an der Front des Desasters in Afghanistan erneut ihren Mut, ihr Können und ihre authentische Empathie für die Opfer eines historischen Versagens. Ihre nur wenige Wochen alte Reportage „Rückkehr der Taliban“ (ZDF, 21.7.2021, 30min, mit Nesar Ahmed Fayzi) bewies wieder ihr feines Gespür dafür, was dem Land am Hindukusch, seinen Menschen und der westlichen Allianz damals bevorstand und mittlerweile seinen elenden Lauf nimmt. Eigendorfs kenntnisreiche, ruhige Analysen live am Ort des Geschehens oder im Studio liefern zuverlässige Einordnungen des dramatischen Geschehens.
Katrin Eigendorf (geb. 1962) studierte Journalistik und Geschichte an der Uni Dortmund und (mit einem Stipendium der französischen Regierung) in Paris. Dort ergatterte sie ein halb-offizielles Praktikum im ARD-Studio – ein erster Schritt zum Volontariat beim WDR. Es folgten jeweils fünf bis sechs Jahre bei Radio France und ARD Paris, als RTL-Korrespondentin in Moskau, als Reporterin bei der ZDF-Außenpolitik und Rückkehr nach Moskau als ZDF-Korrespondentin (bis 2018).
Seitdem ist sie Internationale Reporterin des ZDF mit Schwerpunkten ihrer Berichterstattung in Afghanistan, in der Ukraine, in Russland, Libanon, Irak und Türkei.
Neben ständiger aktueller Berichterstattung für ZDFheute, heute-journal und auslandsjournal entstanden immer wieder besondere Filme für ZDF und arte.
Auswahl:
2021 „Die Rückkehr der Taliban„ mit Nesar Fayzi
2021 „Die Feindinnen der Taliban“
2021 „Ultraorthodox : Schwieriger Weg in die Freiheit“
2014 „Wer rettet die Ukraine?“ mit Andreas Weise und Katja Eichhorn
2013 „Tohebas Geheimnis - Afghanistans verratene Töchter“ mit Shikiba Babori
Nominiert für Juliane Bartel Medienpreis 2013.
2013 „Bürger, Bäume, Barrikaden - Tage, die die Türkei verändern“ mit Luc Walpot
Der Preis geht an eine engagierte, mutige Journalistin mit dem Talent, in Geschichten und Begegnungen großes Geschehen erfahrbar zu machen. Ohne ihn (bisher) ausdrücklich zu zitieren folgt sie Hajo Friedrichs: „Cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen.“
Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2021 an Carl Gierstorfer
In der Hoch-Zeit der Corona Pandemie, zwischen Weihnachten 2020 und März 2021, drehte Carl Gierstorfer auf der Corona Intensivstation 43 der Berliner Charité. Es entstanden im Auftrag des rbb parallel eine Dokumentation (Die Story im Ersten, 45min) und eine vierteilige Miniserie für die ARD Mediathek, die über 2 Millionen Mal gesehen und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
Beide Formate ragen heraus aus der fast flächendeckenden Corona-Berichterstattung. Der konsequent zurückhaltende, beobachtende, „dranbleibende“ Stil des Dokumentarfilmers entfaltet seine volle, überzeugende Wirkung. Gierstorfer war dafür drei Monate lang rund um die Uhr verfügbar, ging an seine physischen und psychischen Grenzen. So entsteht auch für Zuschauer ein bis an die Grenzen des Auszuhaltenden authentisches Bild der Pandemie und ihrer Folgen.
„Charité Intensiv“ ist bei weitem nicht die erste so überzeugende Dokumentation von Carl Gierstorfer. 2017 erhielt er den Grimme Preis für „Ebola - das Virus überleben“ (SWR / ARTE) - die Geschichte von Stanley Juah, der Ebola in sein Dorf brachte, mit dem Tod bedroht wurde und Vergebung suchte.
Carl Gierstorfer, Jg 1975, aufgewachsen und Abitur in Viechtach im Bayerischen Wald, las als 20jähriger „Journalistenleben“ von Hajo Friedrichs - für ihn eine solche Inspiration, dass er seinen Wunsch, Chirurg zu werden, aufgab. Er studierte Biologie am University College London und wurde danach zunächst Redakteur in der Redaktion Naturwissenschaft und Technik des ZDF.
Auf Dauer wollte er ohne Einbindung in eine Redaktion frei und mit vollem Risiko seine Filmideen verwirklichen. Dabei dreht er fast immer selbst und allein, um seinen Protagonisten nahe zu sein. Als studierter Biologe sieht er sich als Wissensvermittler und Aufklärer, als Journalist und Dokumentarfilmer.
Seit 2006 ist er freier Journalist und Dokumentarfilmer in Berlin. Er führte Regie in mehr als einem Dutzend Dokumentationen und Reportagen für nationale und internationale Sender (ARD, ZDF, Arte, BBC, PBS, Al Jazeera). Für seine jüngste Dokumentation über das Schicksal eines unkontaktierten Volkes drehte er über mehrere Jahre im peruanischen Amazonas (Veröffentlichung 2021 / 2022).
Über den berühmten Satz von Hanns hat er gerade bei den Dreharbeiten in der Charité viel nachgedacht, sagt er. Bei allem Bemühen um Objektivität sei es sehr schwer geworden, Distanz zu wahren, wenn man gleichzeitig, vor allem emotional, Teil des Geschehens werde und Verantwortung spüre.
Der ausgezeichnete Film lotet die Grenzen dieses klassischen journalistischen Dilemmas aus, ohne sie zu verletzen.
Sonderpreis an das Team des "ZDF Magazin Royale" mit Jan Böhmermann
Das Team vom ZDF Magazin Royale liefert jede Woche eine fundiert recherchierte Sendung, die ein überraschendes Schwerpunktthema von vielen Seiten spiegelt und durch seine vielseitige Präsentation ein wichtiges Anliegen besonders jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern näherbringt.
Mal geht es um Rassismus bei der Polizei, mal um die Käuflichkeit von Influencerinnen, mal um die Manipulation von Wikipedia, mal um die Profiteure des Hartz-IV-Systems. Die Redaktion schafft es, genaue Recherche mit ungewöhnlichen, oft satirischen Darstellungsformen zu verbinden und hat so ein in der deutschen Medienszene einzigartiges Format geschaffen.
Die von der Redaktion gesetzten Themen finden dank des crossmedialen Konzepts und der Einbeziehung sozialer und klassischer Medien über die Sendungen hinaus Verbreitung in der Gesellschaft und wirken wie kleine Lagerfeuer, um die sich eine enthusiastische Gemeinde schart.
Mit Jan Böhmermann hat die Sendung einen Moderator, der durch seine vielfältigen Talente ganz unterschiedliche Zuschauergruppen anspricht, der sich durch Intelligenz, Schlagfertigkeit, Unverschämtheit und Musikalität abhebt von den im Fernsehen üblichen Moderationen, und der die Sendung so zu einem Quotenerfolg macht.
„Sich nicht mit einer Sache gemein machen“, gegen diesen von Hanns Joachim Friedrichs formulierten Anspruch für Nachrichtenjournalismus im Fernsehen verstößt das ZDF-Magazin Royale jede Woche lustvoll und kreativ. Und Jan Böhmermann ist der diabolische Zeremonienmeister der Regelverletzung einer Sendung, die irgendwo im Neuland zwischen U und E, zwischen Satire und Journalismus auslotet, wie sich Fernsehen auf dringend benötigte Art bereichern und erneuern lässt.
Mit dem Sonderpreis für das ZDF-Magazin Royale möchte die Jury die Fernsehverantwortlichen ausdrücklich ermuntern, neue Formate zu entwickeln, zu fördern und zuzulassen, um - neben den wichtigen klassischen Sendeformen - mit neuen Angeboten jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer anzusprechen, die für das Fernsehen schon verloren schienen.