Katja Gloger - Laudatorin 2017

Sasch Lobo
Katja Gloger
[Foto: Annika Fußwinkel / WDR]

Katja Gloger war langjährige Korrespondentin des Stern in Moskau und Washington, Stern-Autorin und Vorstandssprecherin von Reporter ohne Grenzen.

 

"Ich möchte mir wünschen, verehrte Damen und Herren, dass Journalisten immer auch Abenteurer sind und Entdecker neuer Welten - auch die der Seele. Es hatte ja seinen Sinn, dass die großen Reisenden vergangener Jahrhunderte auf ihren Schiffen Chronisten ihrer Expeditionen ins Ungewisse anheuerten. Journalisten gleich, legten sie Zeugnis von der Fremde ab. Einer von ihnen, der damals berühmte Dichter Paul Fleming, begleitete im 17. Jahrhundert als „Hofjunker“ eine Expedition durch Russland. Er wurde zum Glücksfall. Denn während seine Mitreisenden Furchterregendes über die „barbarischen“ Russen verbreiteten, näherte sich der junge Dichter ihnen wissbegierig wie ein guter Reporter. In der Begegnung verlor das Unbekannte seine Fremdheit. Fleming traute seinen Augen und seinem Verstand, und er dichtete: „Denkt, daß in der Barbarei, Alles nicht barbarisch sei.“

Die Freude des Entdeckens mit dem Ziel der Erkenntnis und Aufklärung zeichnet sie ja aus, dichtende Hofjunker und preisverdächtige Journalisten. Unermüdlich suchen sie nach dem Verborgenen und seinen inneren Zusammenhängen. Sie begegnen dem Fremden mit Respekt und Zugewandtheit - allerdings weder ahnungslos noch mit einer Agenda. Und sie sind bereit, das scheinbar Vertraute - das Eigene also - durchaus selbstkritisch in dem zu spiegeln, was unbekannt scheint. Denn vielleicht ist das vermeintlich Fremde ja gar nicht so ... fremd. Und erweist sich das vermeintlich Bewährte - das Eigene - als verbesserungswürdig.

Entdeckerfreude, Respekt und Wissbegierde, gepaart mit weltumarmendem Humor, dies zeichnet unsere Preisträgerin aus, Isabel Schayani, die mit ihrem vielsprachigen Team von „WDRforyou“vor gut einem Jahr ein Online-Portal für Flüchtlinge, nein, für Neu-Ankommende in Deutschland gestartet hat.

Mit seiner ebenso unaufgeregten wie charmanten Präsentation ist das Portal quasi ein natürliches Gegenmodell zu „fake news“ und anderen medialen Erregungszuständen. Es informiert und argumentiert, ohne zu werten. Es erklärt, ohne zu dozieren.Es praktiziert ‚Willkommenskultur‘, an der ja nichts falsch ist - verschweigt aber auch nicht Ängste und Entwicklungen, die uns Sorgen bereiten müssen.

„WDRforyou“ ist getragen von einer Haltung - hier ist er wieder, der viel diskutierte Begriff. Als ob Journalisten - wie jeder andere Staatsbürger auch - nicht Haltung zeigen müssen, wenn es um Grund- und Menschenrechte geht. Diese Haltung - nicht zu verwechseln mit Aktivistentum - redet nichts und niemanden schön. Sie unterscheidet aber sehr wohl zwischen Recht und Unrecht.

Isabel Schayani und die Macher von „WDRforyou“ zeigen Haltung: Sie treten ein für Verstehen und Verständnis und damit für Aufklärung im besten Hanns-Joachim-Friedrichs-Sinn. Zugleich verpflichten sie ihre Zuschauer, ihre Nutzer, auf die Regeln eines zivilisierten Zusammenlebens, das ja durchaus Grenzen kennt.

Von ihnen kann jeder lernen, bei weitem nicht nur neu Ankommende - vielleicht sogar wir bereits hier-Seiende ganz besonders. #whatmakesyougerman etwa hält uns freundlich den Spiegel vor. Jedenfalls durfte ich lernen, was „CPM“ ist: ein deutsches Kulturgut nämlich, heiß und fettig, Abermillionen Mal im Jahr nachgefragt, durch einen eher unglücklichen Kanzlerkandidaten unlängst zu neuer Berühmtheit gelangt.

„WDRforyou“ steht exemplarisch dafür, warum Meinungsfreiheit für uns alle so wichtig ist. Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Sie lehrt uns, mit der Vielfalt zu leben - auch wenn es nicht immer einfach ist. Meinungsfreiheit lehrt uns Toleranz, den Klebstoff der Demokratie.

All dies gelingt der Entdeckerin Isabel Schayani und ihrem Team. Mögen sie mit „WDRforyou“ noch lange segeln können, weit und über viele Grenzen hinweg - und ohne zu wissen, wo es endet.

P.S.: „CPM“, ein deutsches Kulturgut, es ist natürlich: Currywurst, Pommes, Mayo."