John Simpson - Laudator 2003
Chefredakteur BBC
"Meine Damen und Herren, guten Abend, meine Freunde, kann ich sagen.
Machen Sie sich keine Gedanken, ich werde nur ein paar Worte auf Deutsch sprechen um zu zeigen, dass ich Ihre schöne Sprache ermorden kann. Aber es ist viel besser für Sie, für alle, für mich, wenn ich Englisch spreche.
Ich fühle mich sehr geehrt und kann diese Ehre kaum beschreiben, hier stehen zu dürfen und zu meinen Kollegen vom Deutschen Fernsehen sprechen zu können. Gerade bei einem so bedeutenden Anlass wie heute Abend. Ich bin natürlich mit diesen Sendungen von Hans-Joachim Friedrichs vertraut gewesen. Jetzt sehe ich ihn hier als Bild und ich verstehe deshalb auch, weshalb ich hier stehen soll. Ich fühle mich gewissermaßen wie ein Double von Saddam Hussein, wenn ich hier so stehe, aber lassen wir das vielleicht.
Wir leben in schwierigen Zeiten, gerade auch als Journalisten. Und wenn man an die Balance denkt, an das Gleichgewicht, das unsere Fernsehanstalten traditionsgemäß wahren sollen, das ist schon gefährlich für Journalisten und darauf komme ich zurück. Aber es ist möglicherweise auch gefährlich und schwierig für das Grundkonzept des ausgewogenen Journalismus. Wir haben eine sehr interessante, neue Entwicklung in diesem Krieg erleben können, die so genannten imbedded Journalists, ein Begriff, den ich weder mag noch so anerkennen will. Es ist ein Konzept, das ich zwar verstehe, aber nicht notwendiger Weise als sonderlich glücklich betrachte. Ich fühle mich da nicht wohl in meiner Haut. Ich weiß natürlich, dass das auch für einige deutsche Unternehmen gilt, für deutsche Sender, die durchaus mit unseren imbedded Korrespondenten gut gefahren sind. Sie sind ja mit den britischen wie mit den amerikanischen Streitkräften im Krieg gewesen und es gab da eine Form der Berichterstattung, die wir normalerweise in Kriegen nicht erleben konnten.
Sie fragen vielleicht, weshalb sollen wir denn miterleben, wenn aus der Nähe getötet wird und geschossen wird. Nun, es gibt dafür durchaus auch Gründe. Die Steuerzahler sollten sicherlich auch wissen, wofür die Steuergelder aufgewandt werden und ich finde es durchaus vertretbar, dass wir als Journalisten und auch als Fernsehzuschauer die Möglichkeit haben selbst zu sehen, was sich da tut. Wir haben teilweise wirklich bemerkenswerte Berichte der imbedded Journalisten bekommen, der eingebetteten Reporter, durchaus auch sehr wertvolle Beiträge auch. Gerade wir bei der BBC sind immer sehr stolz gewesen auf diese Form der Berichterstattung. Ich habe zugleich aber auch schon von Anfang an den Eindruck gehabt, gegen Ende des Jahres 2002, dass wir diese Möglichkeit wohl haben würden, und mir war durchaus klar, dass es für mich und vielleicht auch für die beiden Preisträger heute nicht anders ausgesehen hat, da habe ich also den Eindruck gehabt, dass hier sicherlich die Unabhängigkeit auf jeden Fall gewahrt bleiben muss. Das unabhängige Urteil, das unabhängige Vorgehen von Journalisten in einer solchen Situation neben der Nahaufnahme des konkreten Geschehens. Es mag sich nun durchaus lohnen, den Gründen nachzugehen, weshalb die Vereinigten Staaten gefolgt von den Briten beschlossen hatten, Journalisten mit an die Front zu nehmen. Das ist nicht unbedingt ein Grund, der in jedem Krieg gegeben sein dürfte, der in der Zukunft ausbrechen könnte. Wir haben ja solche Korrespondenten in diesem Krieg dabei gehabt, weil das Pentagon, das diesen Gedanken ausgebrütet hatte, mit Recht wohl angenommen hatte, dies dürfte ein Blitz-Sieg werden. Und diesen Sieg wollte man zeigen. Es war ein Krieg gegen ein Land praktisch ohne eigene Luftwaffe, ein Land, dessen Armee eigentlich keine brauchbare Ausrüstung während der letzten zwölf Jahre hinzubekommen hatte und die Moral der Truppe lag am Boden. Der Führer des Landes war sehr verhasst, gerade auch bei der Armee. Das ist also keine normale Kriegssituation. Die Vereinigten Staaten halten es nun für erforderlich, den Krieg zu erklären, oder jedenfalls zu führen gegen, sagen wir Syrien oder den Iran, und ich bin nicht sicher, dass Korrespondenten wie ich oder wie Antonia oder Ullrich dann mit eingeladen werden dürften und in der Frontlinie mit anzuschauen, was sich da tut. Die Gefahr besteht obendrein, dass Journalisten ganz einfach zu Cheerleader werden, zu Menschen, die anfeuern sollen, was da alles in der Operation in Gange ist, wir sollen anscheinend für unser Team die Fahne schwingen, wir wollen praktisch nur darüber berichten, was für wunderbare erhabene Dinge sich dort alle tun. wir könnten dabei unser Ziel und unsere objektive Vorgehensweise angesichts der Kriegsführung aus den Augen verlieren. wir müssen die Dinge aber von unserer Warte aus betrachten. Die BBC hat insofern Glück gehabt, dass wir mit unseren 300 Millionen Zuschauern, die wir weltweit haben, das Konzept des WIR unsere Leute und so weiter nicht verstehen. Man sieht nur zwei Seiten kämpfen gegeneinander und die Zuschauer wollten wissen, was sich da tut. Das war für uns ein großer Vorteil. Das ist aber auch ein großes Problem. Wenn man eine Berichterstattung erlebt wie zum Beispiel in FoxNews in den USA im Fernsehen, dann muss ich sagen: diese Form der Berichterstattung ist wirklich einfach ekelhaft und hat überhaupt nichts zu suchen im normalen Nachrichtenjournalismus im Fernsehen.
Ich werde wahrscheinlich von Rupert Murdoch ab jetzt nicht mehr eingeladen, etwas für sein Unternehmen zu tun. Aber manche Dinge muss man sagen. Wir müssen irgendwo einen Schlussstrich ziehen, eine Trennlinie deutlich machen. Und das hat BBC, und darauf bin ich stolz, auch gemacht bei allen Entwicklungen, die in eine solche Berichterstattung umschlagen könnten. Auch, wenn britische Truppen am Kampf beteiligt waren. 1939, eine Woche, glaube ich, vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatten die Direktoren und die Leitung der BBC sich zusammengesetzt, um eine Liste von Regeln aufzustellen, die Nachrichtenleute der BBC bei der Berichterstattung des anstehenden Krieges einhalten sollten. Ich bin sehr stolz darauf, auf einen Punkt vor allem, mir kommen geradezu die Gefühle hoch, wenn ich daran denke. In einer solchen zeit haben in der Tat Menschen, deren nationale Existenz gefährdet war, sich darüber Gedanken gemacht hatten, solche Leitlinien auszugeben für die Mitarbeiter, auch im Gespräch mit einfachen Deutschen. 1939 gab es einen deutschen Dienst der BBC. Man wollte mit ihnen sprechen, so, als säßen sie auf der anderen Seite des Tisches, an einem Kaffeetisch in einem neutralen Land. Es hieß damals vor allem, es darf nicht darum gehen vom Leder zu ziehen, ranting, wie wir es nennen, laut werden, sich aufregen. Alles also, was FoxNews mittlerweile als Fernsehpraxis gezeigt hat, Minute für Minute, Tag für Tag, Woche für Woche während des Krieges, stets mit der Fahne schwenken und so weiter.
Das ist nicht die richtige Form der Berichterstattung, es ist auch nicht Ihre Form der Berichterstattung, ebenso wenig unsere. Wir wollen das nicht erleben. Es gibt aber hier eine Gefahr. Sender wie FoxNews haben in den USA damit gute Erfahrungen gemacht, sind damit gut gefahren. Wir stehen alle unter Druck und wir müssen unser Erbe sehen, unsere eigene innere Einstellung dazu überprüfen und es darf einfach keinen Platz geben für eine solche radikale Vorgehensweise in der Berichterstattung. Die andere Gefahr besteht natürlich für die einzelnen Journalisten. Bei dem letzten Zwischenfall war ich ja selbst dabei, ich habe Glück gehabt. Ich bin zwar hinterher fast völlig taub gewesen, was bisweilen zu Hause auch hilft. Meine Frau sagt, ich hätte mich aber auch nicht verändert verhalten nach dem. Ich habe ziemlich viel Metall mittlerweile in der Hüftgegend seit dem und vielleicht auch eine etwas eigenartige Fingerform, ich finde also viel mehr Beachtung bei den Fingern als beim Gesicht heutzutage. Das regt mich aber gar nicht so auf, was mir widerfahren ist. Es war tragisch, dass mein Dolmetscher und 17 andere Menschen getötet wurden, denn das war mangelnde Sorgfalt der Amerikaner. Ich war vor allem aber sauer darauf, dass Menschen wie Christian Liebich zum Beispiel aus Deutschland, und andere unter diesen Umständen in dem Krieg den Tod gefunden haben. 17 Journalisten wurden in drei Wochen insgesamt getötet. Das ist mehr, als in jedem anderen Krieg, außer in dem zwischen Iran und Irak in den 80er Jahren. Und angesichts dieser Entwicklung, meine ich, sind Journalisten, wie soll ich das sagen, zu Zielscheiben geworden.
Als ich vor kurzem in den Vereinigten Staaten war und einige führende Leute im Pentagon dort sprach, da sagte man mir, Journalisten, die dort gestorben seien, die dort getötet worden seien durch Amerikaner, seien ja selber Schuld. Das sei nicht die Schuld der Amerikaner gewesen. Das kann ich so nicht akzeptieren. Das kann ich einfach nicht mir zu eigen machen, dass Menschen, die ihren Beruf ehrlich und aufrichtig und so sorgfältig, wie sie können ausüben, deshalb auf diese Weise als potentielle Zielscheiben von einer der Seiten betrachtet werden können. Zehn der 17 gestorbenen Journalisten wurden im Kampf in der einen oder anderen Form getötet, 7 der Journalisten wurden von den Amerikanern getötet. Also 70 Prozent der Journalisten, die im Kampf getötet wurden, gehen auf das amerikanische Konto. Und das ist ganz einfach nicht akzeptabel. Ich habe mit einigen führenden Leuten des WDR heute beim Mittagessen darüber gesprochen und ich hoffe, dass aus einem gemeinsamen Vorgehen vielleicht des Deutschen Fernsehens und des Britischen Fernsehens im Nachrichtenbereich, vielleicht auch der Franzosen, dass da etwas herauskommen kann, etwas Gemeinsames, damit Journalisten anders betrachtet werden und damit man, wenn man einen Journalisten tötet zumindest sich hinterher darüber auslassen muss und erklären muss, was man getan hat.
Ich habe in diesem Krieg vier Freunde verloren. Einer war Terry Lloyd, ein britischer Journalist, der an einem amerikanischen Kontrollpunkt vorbei fand und stellte fest, dass die Iraker den Weg versperrt hatten. Er fuhr schnell zurück, kam an dem Kontrollpunkt, den er zwei Minuten vorher durchfahren hatte. Sein Fahrzeug war gekennzeichnet, da stand drauf Fernsehen, TV und so weiter. Er wurde dennoch erschossen, genauso wie sein Kameramann und sein Dolmetscher. Im übrigen sind ihre Leichen nie wieder gefunden worden. Das ist nicht akzeptabel. Wir müssen etwas dagegen tun. Nicht, weil der Journalismus so wunderbar ist, sondern Journalisten müssen vor den Gefahren geschützt werden, vor denen auch andere geschützt werden müssen, weil wir ganz einfach versuchen herauszubekommen, was sich dort tut und damit der Welt sagen wollen, wie die Ereignisse aussehen. Wenn man Boten umbringt, dann will man auch die Botschaft umbringen.
Dagegen müssen wir vorgehen.
Ich freue mich also sehr daran beteiligt sein zu dürfen, dass heute Abend diese Veranstaltung stattfindet und dass zwei Menschen, die ich schon seit langem bewundere, diese Ehrung erfahren. Ich bin wirklich sehr froh erleben zu dürfen, dass sowohl Ulrich als auch Antonia und auch Eric natürlich, den ich noch nicht bisher treffen konnte, diesen Preis erhalten haben. Ich wünsche ihnen jedes erdenkliche Glück und darf sagen, sie dürfen stolz darauf sein, was sie erreicht haben. Ich möchte an das erinnern, was Hanns-Joachim einmal gesagt hat. Er sprach über die Notwendigkeit, dass Journalisten objektiv bleiben müssen, dass sie sich von ihrem Gegenstand der Berichterstattung zurückhalten sollten. Sie dürfen nicht in der Tasche der Polizei oder der Armee stecken, sondern müssen eigene, frei denkende Menschen sein und heute Abend werden drei wirklich verdienstvolle Menschen gerade dafür geehrt. Und wir sind Ihnen allen zu großem Dank verpflichtet.
Dankeschön."