Angela Merkel - Laudatorin 2000
"Liebe Frau Bauer, liebe Frau Illner, liebe Frau Maischberger, liebe Frau Friedrichs und meine Damen und Herren.
Als ich im Sommer dieses Jahres gefragt wurde, ob ich die Festrede zur Verleihung des diesjährigen Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises halten könnte, habe ich spontan zugesagt in der festen Erwartung, heute physisch zu sein. Nachrichten, aktuelle Anlässe, haben es mir nicht ermöglicht. Und deshalb machen wir dies auf diesem modernen aber etwas ungewöhnlichen Weg.
Ich habe spontan zugesagt nicht nur deshalb, weil der Preis in diesem Jahr gleich an drei Frauen geht, sondern weil es vor allen Dingen einer der bedeutendsten Journalistenpreise ist, die es zu vergeben gilt und weil der Namensgeber dieser Ehrung ohne Zweifel einer war, dessen ruhige, professionell distanzierte und zugleich warmherzige Art die Meßlatte für Kollegen sehr hoch gelegt hat und mir persönlich wie vielen anderen Menschen noch sehr gut in Erinnerung ist.
Nun ist es ja wahrlich keine einfach Sache, wenn eine Politikerin die Festrede für die Vergabe eines Journalistenpreises halten soll. Schon gar nicht, wenn von der Politikerin auch noch erwartet wird, einige Gedanken zum Thema "der Kampf um Nachrichten" zu äußern. Schließlich ist es im Wesentlichen die Politik, die Nachrichten produziert. Schließlich sind wir es, die Politiker, die unter den scharfen Augen der Journalisten unsere Arbeit verrichten. Die Politik ist in ihrer Wirkung durchaus von der medialen Begleitung abhängig. Ebenso bedarf der Journalist jeweils der Informationen und Hintergründe aus der Politik. Das Wechselspiel von Politik und Journalismus ist also für das Gelingen demokratischer Prozesse von besonderer Wichtigkeit, ja, ein wesentlicher Grundpfeiler für die Existenz der Demokratie überhaupt.
Meine Damen und Herren, als ich vor zehn Jahren erste praktische Erfahrungen mit der Demokratie machen konnte, habe ich das als ein Geschenk empfunden. Wer aus einer Diktatur kommt, bringt, so glaube ich, einen geschärften Blick mit, der den Preis der Freiheit kennt und auch bereit ist, für den Bestand Verantwortung zu übernehmen. Nach Jahren der offiziell verordneten Kritiklosigkeit gibt es nun seit 10 Jahren demokratische Kritikmündigkeit für alle Deutschen. Dieses Stück Demokratie ist zwar ein Geschenk, aber eines von der Sorte, das immer wieder neu verdient werden will. Das erfordert Wachsamkeit und verantwortlichen Umgang mit Informationen.
Es war Thomas Roth, einer der früheren Preisträger, der gesagt hat: Informationen dürfen nicht wie eine beliebige Ware behandelt werden, die mehr oder weniger teuer verkauft und mit bunter Werbung unterfüttert werde, Information müsse vor allem Rüstzeug für Bürger in einer demokratischen Gesellschaft sein. Er hat Recht. Information und ihre Verbreitung ist Dienst am Gemeinwesen und Dienst an der Demokratie. Marie von Ebner-Eschenbach hat einmal gesagt: wer an das Licht der Öffentlichkeit tritt, hat mit Rücksicht nicht zu rechnen. Es wäre also ein falsches Verständnis, wenn sich ein Politiker über das kritische Beleuchten seiner Arbeit erregt oder beschwert. Er weiß, dass er Teil einer funktionierenden Demokratie ist, dass er im Lichte seiner Taten bewertet wird. Ein Recht auf Rücksicht hat er nicht, schon gar nicht auf Nachsicht. Aber die Wahrung seiner Würde, der Respekt vor seiner Persönlichkeit, das sind aus meiner Sicht vornehme Aufgaben des Journalisten.
Den Preis, der heute im Gedenken an Hanns-Joachim-Friedrichs vergeben wird, empfinde ich als Anstoß und zugleich als Beitrag für eine solche Debatte. Hanns-Joachim Friedrichs hat dafür gestritten, dass die Nachricht, dass Informationen, ja, dass der Journalist insgesamt nicht zu einer Ware wird, die keinen entsprechenden Lohn wohlfeil angeboten wird. Er machte darum keine großen Worte. Journalist sein war für ihn eine Haltung. Und so entspricht es nur der Logik der Sache, wenn Ullrich Wickert sagt, dass der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis der einzige sei, der für eine Haltung verliehen wird. Er wird verliehen für mutigen und kritischen Journalismus. Er gilt jeden, die kritisch nachbohren, nicht um Sensationen zu gebären, sondern um Informationen zu erhalten. Nicht, um das Gegenüber bloß zu stellen, sondern um der Wahrheit eine Facette hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, es ist gut, dass es einen solchen Preis gibt. Aber es ist noch besser, dass es Journalisten gibt, die ihn verdienen. Und deshalb ist es mir persönlich eine große Freude, die heutigen Preisträgerinnen zu beglückwünschen. Und ich hatte ja Gelegenheit, Sie alle schon einmal kennen zu lernen. Der diesjährige Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geht an drei Journalistinnen, die die Anforderungen dieser Ehrung erfüllen. Vielleicht haben Sie alle drei, wenn man das gemeinsam sagen darf, mit Ihrer Sprache, mit Iihrer Art auch die Persönlichkeit einzubringen, vielen Menschen in Deutschland Politik und politische Fragen näher gebracht.
An Gabi Bauer geht dieser Preis, die als Moderatorin der Tagesthemen in unaufgeregter Natürlichkeit fachlich versiert Nachrichten als präzise Information aufbereitet und damit allabendlich zu Gast in deutschen Wohnzimmern ist. Sie ist ihrer Fairness wegen bei ihren Gesprächspartnern geschätzt. Auf Grund ihrer beharrlichen Nachfragen, und das sage ich aus eigener Erfahrung, zugleich ein bisschen gefürchtet.
An Maibritt Illner, die es in ihrer Polittalkshow "Berlin-Mitte" versteht, oftmals komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich herunterzubrechen, geht der Preis ebenso. Dabei hört sie aktiv zu, ich betone aktiv, was manch einen auch ein bisschen verzweifeln lässt, klingt sich ein, wenn es unverständlich wird und hat die Gabe, mit ihrem eigenen Charme auch da Antworten zu erhalten, wo manch ein Gast eigentlich lieber geschwiegen hätte.
Und dieser Preis geht an Sandra Maischberger, die in ihrer täglichen Interviewsendung beweist, dass Information unterhaltsam sein kann, ohne indiskret sein zu müssen. Sie begegnet ihrem Gegenüber mit Respekt, manchmal fragt sie mit einem kleinen Haken und gewährt durch diese Art zu fragen dennoch tiefe Einblicke sowohl in die Persönlichkeit ihrer Gäste als auch in den jeweiligen Sachverhalt.
Ich gratuliere Ihnen Dreien sehr herzlich und verbinde mit meinen Glückwünschen die Aufforderung, in diesem Sinne weiter wachsam tätig zu sein.
Von Hermann Hesse stammt das Zitat: je mehr Einzelne da sind, welche dem Welttheater mit Ruhe zuschauen, desto geringer ist die große Gefahr von Massendummheiten.
Ich bin geneigt hinzuzufügen: Je mehr Menschen da sind, die mit Ruhe und Kritik das Weltgeschehen berichtend kommentieren, desto schwerer wird es für Einzelne, die Masse für dumm zu verkaufen.
Das ist der wohlverstandene Auftrag an den Journalismus in unserer Zeit. Das ist Ihr Beitrag zur Förderung und zum Bestand einer funktionierenden Demokratie und damit ein wichtiger Dienst am Gemeinwesen. Das darf ich sagen, auch im Sinne und vor allem im Sinne eines Hanns-Joachim Friedrichs."