Eva Müller über den Preis

"Vielen Dank, ich freue mich sehr über diesen besonderen Preis. Es ist mir wirklich eine Ehre.

Ich habe Hanns Joachim Friedrichs nicht mehr erlebt. Als er mit den Tagesthemen aufhörte, war ich erst elf und durfte so spät nicht mehr fernsehen. Trotzdem begleitet er auch mich heute, sein Lehrsatz ist wie eine Leitplanke für meine Arbeit. Gerade weil es bei meinen Themen oft um die Frage nach Recht und Unrecht geht. Sich dann „nicht gemein zu machen“ heißt für mich – so simpel, so schwierig: Alle Seiten zu Wort kommen lassen, das Gesagte hinterfragen, ohne zu werten. Meine Erfahrung, wenn das gelingt: Mit dem Vertrauen auf Ausgewogenheit spricht auch der vor der Kamera, der sich eigentlich gar nicht äußern wollte. Am Ende kann und soll der Zuschauer selber denken. Das ist das Ziel, so verstehe ich das Handwerk.

Das bedeutet aber meiner Meinung nach nicht, dass dahinter keine Haltung steht. „Sich nicht gemein machen“ darf nicht heißen, dass man sich nicht mehr einmischt, kritische Themen nicht angeht. Das habe ich hier im WDR vorgelebt bekommen. Bei Sonia Mikich und Georg Restle bei Monitor, bei Jo Angerer und Mathias Werth von der story-Redaktion: Keine Denkverbote. Haltung. Autor und Redakteur auf Augenhöhe. Sie haben mir geholfen, meine Themen durchzusetzen, auch wenn es manchmal Monate dauerte. Sie haben mich machen lassen. Auch schon mit 25. Sie haben mich und viele andere aktiv gefördert. Uns im besten Sinne öffentlich-rechtlich ausgebildet.

Ich denke, dass genau diese Haltung für uns Nachfolgende wichtig und schützenswert ist. Sowohl von oben, von den Chefetagen, als auch von unten, bei der Auswahl derer, die als Redakteure nachkommen. Um diese Arbeit zu erhalten, braucht es Mut und Sicherheit und Journalisten, die nicht nur zum Verwalten eingestellt werden, sondern die auch Zeit und Raum zum Denken und die Freiheit zu entscheiden haben.

Im Moment wird viel darüber diskutiert, wie die öffentlich-rechtlichen Sender sich verändern müssen, damit sie in der neuen Medienlandschaft weiter Berechtigung haben. Ich glaube, dass die eigentliche Herausforderung gar nicht unbedingt die Veränderung, die Suche nach Erneuerung, neuen Formaten ist. Ich glaube, die eigentliche Herausforderung ist das Besinnen auf das Wesentliche, das öffentlich-rechtliche Handwerk, wie HJF es beschreibt - auf die Inhalte und die Haltung. Damit können wir glänzen, das ist die Stärke, das Alleinstellungsmerkmal, der Service, den öffentlich-rechtlich ausgebildete Journalisten dem Zuschauer bieten können. Ich würde da gerne weiter mitmachen."