Westfälische Rundschau
Westfälische Rundschau - Dortmund, 23.10.1995
Nicht unabhängig
Von Reinhard Lüke
Richtig erschrocken sei er, so Thomas Roth, als er erfahren habe, daß er der erste Träger des Hans-Joachim-Friedrichs-Preises sein solle.
Verantwortlich für diesen Schrecken war Friedrichs noch selbst. Als ihm Freunde kurz vor seinem Tod Im Frühjahr die Idee vortrugen, einen nach ihm benannten Preis für herausragenden Fernsehjournalismus zu stiften, hatte „Mr. Tagesthemen' spontan Thomas Roth als ersten Preisträger vorgeschlagen.
Ein nachvollziehbares Votum. Schließlich hatte sich der ehemalige Moskau-Korrespondent und jetzige Hörfunkdirektor des WDR 1993 nicht nur während des Putschversuchs in Rußland profiliert, sondern auch mit seinem Fernsehtagebuch einer Wolga-Reise große Beachtung gefunden. Daß dieser neue Preis in einem etwas fragwürdigen Licht daherkommt, hat andere Gründe.
Stifter der mit 10 000 Mark dotierten Ehrung, die nun alljährlich vergeben werden soll, ist ein Verein, den sechzehn Freunde und Weggefährten Friedrichs' eigens zu diesem Zweck Ins Leben gerufen haben. Daß diesem neben Friedrichs' Witwe und Print-Journalisten auch Fernsehmacher wie Klaus Bresser; Fritz Pleitgen und - als Vorsitzender - Ulrich Wickert angehören, liegt bei dem Beruf des Namensgebers nahe.
Ob die Mitglieder allerdings gut beraten sind, zugleich auch als Juroren zu fungieren, ist schon eine andere Frage. Und erst recht der Umstand, daß der-Verein das Angebot von 'Friedrichs' Haussender WDR, die Verleihungszeremonie auszurichten, dankend annahm, gibt dem hehren Ansinnen den Ruch einer öffentlich-rechtlichen Selbstbeweihräucherung. Schließlich ist in den Kriterien für die Vergabe des Preises u.a. auch viel von Unabhängigkeit die Rede.