Pressemitteilung 2025
In diesem Jahr feiert der Verein zur Verleihung des Hanns-Joachim Friedrichs-Preises für herausragende Leistungen im Fernsehjournalismus sein 30-jähriges Jubiläum.
Der Vorstand der Jury, unter dem Vorsitz von Sandra Maischberger, gibt die Gewinner des Jubiläumsjahres bekannt. Die Verleihung findet am 4.12.2025 beim Westdeutschen Rundfunk in Köln statt.
2025 wurde ein Jahr beispiellosen Drucks von außen wie von innen auf die Berichterstattung aus Krisengebieten. Die Jury richtet in diesem Jahr ihren Fokus auf herausragende Leistungen unter dem Vormarsch totalitärer und autokratischer Regime, die mit Meinungs- und Pressefreiheit eine der tragenden Säulen demokratischer Ordnung zerstören wollen. Diesem Thema widmet der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes bei der Verleihung seine Keynote: Prof. Andreas Voßkuhle
„Presse im Visier, Demokratie in Gefahr“.
Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2025 geht zu gleichen Teilen an Sophie von der Tann, Korrespondentin im ARD-Studio Tel Aviv und an Katharina Willinger, Leiterin der ARD-Studios in Istanbul und Teheran.
Mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Förderpreis 2025 wird der Journalist Borhan Akid (WDR)ausgezeichnet.
Ein Sonderpreis geht an „Reporter ohne Grenzen“, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzen und Medienschaffende unterstützen, die aufgrund ihrer Arbeit gefährdet, verfolgt oder in ihrer Tätigkeit behindert werden.
DIE PREISTRÄGERINNEN
SOPHIE VON DER TANN
Als die Terror-Miliz Hamas am 7. Oktober 2023 ihren bestialischen Angriff auf jüdische Siedlungen durchführt, ist Sophie von der Tann seit zwei Jahren im Land und die einzige TV-Korrespondentin im ARD Studio Tel Aviv.
Von einem Augenblick zum nächsten steht Sophie von der Tann in einem der massivsten Waffengänge der Geschichte des Heiligen Landes an der Berichterstattungsfront. Sie stützt sich auf die Erfahrung der ersten zwei Jahre im Job vor Ort, auf die Erinnerung an mehrere Aufenthalte dort und auf ein auf diese Aufgabe perfekt zugeschnittenes Studium in Deutschland, Großbritannien und den USA. Sie spricht hebräisch und arabisch.
Praktisch von Anfang an erleben Zuschauer der ARD eine krisenfeste und unerschrockene Korrespondentin, die sich nicht scheut, Dinge beim Namen zu nennen. Wenn es um die Massaker der Hamas und ihre Terror-Herrschaft in Gaza geht, fällt das nicht schwer. Wenn eine deutsche Korrespondentin auch kritisch über Israels Politik und Kriegsführung berichtet, macht das schon eher Probleme. Auch deutsche Journalist:innen stehen im Kontext der deutschen Geschichte.
Dessen müssen sie sich nach dem Verständnis der Jury immer bewusst sein, es immer respektieren. Es gilt aber auch, Haltung zu bewahren, wenn dieses Gebot zu einem Instrument gemacht wird, das professionelle, fakten-basierte Berichterstattung ausschalten soll.
Der wirkmächtige Botschafter Israels in Deutschland, der auch von deutschen Medien erklärtermaßen „Solidarität mit Israel“ erwartet, forderte öffentlich, dass die Korrespondentin ins Lager der Aktivisten wechseln solle. Zum Teil orchestrierte Reaktionswellen in den sogenannten „sozialen“ Medien sind deutlich brutaler.
Man kann immer über einzelne Formulierungen diskutieren. Das ändert nichts daran, dass die Jury in Sophie von der Tann eine herausragende Journalistin (an)erkennt, die in einer Extremsituation zuverlässig erstklassige Arbeit liefert, die – gestützt auf ihre Kenntnis der Sprachen und Kulturen des Landes – den Menschen und ihren Schicksalen nahe ist, ohne dazu zu gehören, cool – aber nicht kalt. Wie es Hanns-Joachim Friedrichs für unseren Stand postulierte. Man spürt ihre Entschlossenheit, die komplexe Wirklichkeit verständlich zu erklären.
KATHARINA WILLINGER
Katharina Willingers Berichtsgebiet ist ein Testgelände für Berichterstattung unter einem totalitären Regime und einer zunehmend autoritären Regierung – eine Kunst also, die in immer mehr Ländern gebraucht wird. Ihre Arbeit fällt auf durch Professionalität, Empathie und fundierte Kenntnis der Länder, aus denen sie berichtet: Iran, die Türkei und Zypern. Sie berichtet unaufgeregt und kenntnisreich im klassischen Sinn unseres Namensgebers. Ihre Reportagen beeindrucken durch Besonnenheit und kenntnisreiche Einordnungen. Willinger scheut sich nicht, undifferenzierte Bilder zurechtzurücken, gängige Klischees zu hinterfragen und die Welt auch einmal anders als durch die westliche Brille zu sehen. Dabei nimmt sie die Zuschauer mit, bleibt in einer unverschnörkelt verständlichen Sprache. Bei ihr stehen oft Menschen und Einzelschicksale im Vordergrund. So auch in ihrer Berichterstattung über die israelisch-amerikanischen Angriffe auf den Iran.
Immer wieder macht sie deutlich, welche verheerenden Auswirkungen die Konflikte großer Mächte auf das Leben der Menschen haben. Es gelingt ihr, den Blick von den Mullahs auf die Menschen zu lenken, die den Preis für ihre religiös verbrämten Herrschaftsansprüche zahlen.
Auch Willingers Türkei-Berichterstattung bleibt bei jenen, die betroffen sind von Machtmissbrauch und Wirtschaftsnotstand, gibt jenen eine Stimme, die sich unter einer Ein-Mann-Regierung, die politische Gegner mundtot macht, dem Klima der Angst entgegenstellen. Das wird immer schwieriger mit jedem Schritt, den Erdogan in Richtung unangreifbare Autokratie geht. Die Türkei ist uns nahe, Mitglied der NATO, Beitrittskandidatin der EU. Es ist entscheidend, dass Deutschland die Vorgänge dort und das Treiben des Machthabers im Auge behält und versteht. Bei Katharina Willinger ist diese schwierige Aufgabe in besten Händen.
Ihr Studium der Islamwissenschaft an der Universität Bamberg bot der aus Unterfranken in Bayern stammenden Preisträgerin eine solide Grundlage zum Verständnis der Region. Ihre Ausbildung zur Journalistin absolvierte sie beim Bayerischen Rundfunk. 2016 ging sie als freie Journalistin in die Türkei, ein Jahr, das vor allem vom Putschversuch gegen die Erdogan-Regierung geprägt war. 2017 übernahm sie eine der beiden TV-Korrespondentenstellen im dortigen ARD-Studio (BR). 2020 übernahm sie die Leitung des ARD-Büros in Teheran, Studioleiterin in Istanbul wurde sie 2023. Im Jahre 2024 erhielt sie den Grimme-Preis in der Kategorie „Information und Kultur“.
SONDERPREIS FÜR „REPORTER OHNE GRENZEN“
Die Welt verzeichnet zunehmend gezielte tödliche Angriffe gegen Journalisten während des Gaza-Krieges und in anderen militärischen Konflikten sowie einen immer stärkeren Druck auf die freie Berichterstattung. Und das nicht mehr nur in autoritären Staaten wie Russland oder China, sondern ebenfalls in vermeintlich demokratisch verfassten Gesellschaften. Dort gibt es zunehmend aggressive Zensurbestrebungen nebst einer immer offeneren Forderung nach Selbstzensur von Journalisten und Medien - sogar in einigen europäischen Ländern und neuerdings auch und besonders in den Vereinigten Staaten. Die konzertierten Angriffe auf die Presse- und Medienfreiheit verlangen die Stärkung von Organisationen, die sich der Verteidigung und Bewahrung dieser Freiheit verschrieben haben und tagtäglich für den Schutz von Journalist:innen und ihrer Arbeit einsetzen, oft unter großer persönlicher Gefahr. Dieses im wahren Sinn des Wortes lebenswichtige Engagement will die Jury im 30. Jahr des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises würdigen und vergibt ihn an die weltweit operierende Organisation „Reporter ohne Grenzen“.
FÖRDERPREIS
Der Förderpreis soll nach dem Willen der Jury nach Kolleginnen und Kollegen fördern, die in bereits vorliegenden Arbeiten ihre herausragende Qualitäten unter Beweis gestellt haben. Neben finanzieller Anerkennung soll er vor allem Aufmerksamkeit für junge Talente schaffen.
BORHAN AKID (WDR)
Borhan Akid arbeitet als Journalist und Reporter für WDRforyou, das bekannte WDR-Online-Format mit Informationen und Orientierung für Geflüchtete und Zugewanderte in Deutschland.
Er fiel in diesem Jahr besonders durch zwei herausragende Leistungen auf:
Er gestaltete und moderierte das Format „Danke, aber... 10 Jahre nach Merkels Versprechen“, ein einstündiges Gespräch zwischen ehemaligen Geflüchteten und Angela Merkel. Akid moderiert. Er weiß, worum es geht, ist selbst vor zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen. Da konnte man über eine Stunde lang eine authentische Begegnung erleben zwischen Politik und den Menschen, deren Leben sie unmittelbar verändert hat. Eine Stunde, in der das Thema „Migration“ mal nicht als Problem behandelt wird.
Im selben Jahr dokumentierte Borhan Akid seine eigene Rückkehr nach Syrien, nach dem Sturz des Assad-Regimes, in dem er Filmemacher, Betroffener und Presenter gleichzeitig ist. Es gelingt ihm, dieses Dreieck uneitel und überzeugend zu zeichnen. Er versucht nicht, wenige Monate nach dem Sturz von Assad die Frage zu beantworten: Ist das jetzt gut oder wird es noch schlimmer? Akid lässt die Menschen erstmal aufatmen, reflektiert über das Exil, über seine eigenen Empfindungen zurück in der Nachbarschaft seiner Jugend. Über die zerrissene Generation der älteren Geflüchteten, die noch viel mehr in Syrien verhaftet sind und vor der Frage stehen: Gehen oder bleiben?[
Die Hauptpreise und der Förderpreis sind mit jeweils 2.500 € dotiert.
HINTERGRUND
AUS DER JURY
In den vergangenen Jahren hat die Jury die Preisentscheidungen immer auch als Statement für Qualitätsjournalismus mit Blick auf die aktuellen medienpolitischen Debatten verstanden.
- 2019: „Faktentreue“
Mai Thi Nguyen Kim, WDR / Harald Lesch, ZDF
- 2020: „Unabhängigkeit“
Emily Maitlis, BBC / Ulf Röller ZDF
- 2021: „Aktualität mit Tiefgang“
Katrin Eigendorf, ZDF / Carl Gierstorfer, RBB
- 2022: „Glaubwürdige Berichterstattung in Krieg und Krisen verlangt Präsenz am Ort des Geschehens“
Christoph Reuter, SPIEGEL TV / Ost-West TV
- 2023: „Journalistische Persönlichkeiten mit langjähriger Erfahrung, die vom Ort des Geschehens berichten und einordnen“
Ina Ruck, ARD/WDR Moskau und Elmar Theveßen, ZDF Washington
- 2024 „Nah dran im eigenen Land“ - empathische und kompetente Berichterstattung in den drei (Ost)Landtagswahlkämpfen des Jahres
Die freien Journalisten Eva Schulz und Jan Lorenzen
- 2025 liegt der Fokus auf dem Vormarsch totalitärer und autokratischer Regime, die mit Meinungs- und Pressefreiheit eine der tragenden Säulen demokratischer Ordnung zerstören wollen. Eine unheimliche Entwicklung, die jetzt auch die USA, Mutterland moderner westlicher Freiheitsordnungen, zur überrollen droht.
DER HANNS-JOACHIM-FRIEDRICHS-PREIS FÜR FERNSEHJOURNALISMUS
wurde von Freunden und Kollegen am Sterbebett des großen Journalisten zu seinen Ehren gegründet und wird seit 1995 verliehen. Er unterscheidet sich von anderen Medienpreisen dadurch, dass ausschließlich Journalist:innen nach ihren eigenen professionellen Maßstäben entscheiden – ohne Rücksicht auf Interessen ihrer Häuser.
Die Jury umfasst die Gründer und die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger.
WDR-Intendantin und diesjährige Schirmherrin des Preises, Dr. Katrin Vernau, unterstreicht die Bedeutung der Auszeichnung:
„Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis erinnert uns daran, was guten Journalismus ausmacht: Unabhängigkeit und Distanz – selbst gegenüber Themen, die uns nahestehen, und kritische Wachsamkeit gegenüber Macht und Einfluss. Gerade in Zeiten von Desinformation und Polarisierung brauchen wir unabhängigen, mutigen und verantwortungsvollen Journalismus, wie ihn die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger repräsentieren – mehr denn je.“
NDR Intendant Hendrik Lünenborg, als zweiter Schirmherr, ergänzt: „Nur wer zuhört und unterschiedliche Blickwinkel wirklich aufnimmt, kann die Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft abbilden. Perspektivenvielfalt ist daher wesentlich für guten Journalismus. Täglich bemühen wir uns darum, vielfältige Stimmen einzubeziehen, genau hinzuhören und durch echten Dialog journalistische Relevanz zu schaffen. Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis steht genau für diese Haltung – ich gratuliere den Preisträgerinnen und Preisträgern herzlich, die diese Werte mit ihrer Arbeit auf herausragende Weise ausfüllen.“
Die Sender beider Schirmherren, WDR und NDR, übertragen – jährlich wechselnd – die feierliche Verleihung und ihre oft richtungsweisenden Debatten.
In diesem Jahr ist der WDR Gastgeber der Preisverleihung am Donnerstag, den 4. Dezember 2025 im Funkhaus des WDR in Köln.