Kölner Stadtanzeiger

Kölner Stadtanzeiger - Köln, 13.11.2002

Stimme der machtlos Leidenden

Dirk Sager erhielt den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für TV Journalismus

Laudator Wolf Biermann würdigte den ZDF-Studioleiter als uneitel und mutig.

Von Frank Olbert

Seine Berufskleidung besteht häufig aus einer warmen Mütze, einem Fellmantel und stabilen Stiefeln: In diesem Aufzug meldet sich Dirk Sager zum Beispiel aus dem schneeverwehten Sibirien. Oder aus dem stürmischen Sankt Petersburg. Oder aus Tschetschenien, über das der ZDF-Korrespondent bereits berichtet hat, als in unseren Breiten kaum jemand wusste, dass es dieses Land überhaupt gab.

Am Dienstagabend aber im Studio des WDR, angetan mit feinem Anzug und Krawatte, fühlte sich Dirk Sager ein wenig unwohl. Er sei „ein Mann aus den Wäldern“, teilte er der Moderatorin Sandra Maischberger mit - und hier und jetzt die vielen Scheinwerfer. . .

Diese freilich richteten sich aus gutem und feierlichem Grunde auf den Leiter des ZDF-Studios Moskau. Sager wurde mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für unabhängigen und deshalb glaubwürdigen Journalismus geehrt. Zum achten Mal wurde diese mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung verliehen. Sie wird von einem 15-köpfigen Freundeskreis des 1995 gestorbenen „Tagesthemen“-Moderators Friedrichs vergeben - dem Verein gehören neben der Witwe Ilse Friedrichs unter anderen die Journalisten Klaus Bresser, Manfred Bissinger, Jürgen Leinemann, Fritz Pleitgen und Ulrich Wickert an. Der 62-jährige Sager ist seit 1968 für das ZDF tätig und war unter anderem Korrespondent in der DDR, in den USA und Leiter des Magazins „Kennzeichen D“. Seit 1990 steht er dem ZDF-Studio in Moskau vor. „Immer wieder hat er sich in Gefahr begeben, um eine mörderische Aggression beim Namen zu nennen“, heißt es in der Begründung für die Auszeichnung. „Nie hat ihn eine neue Niederlage der Menschlichkeit kalt gelassen.“ Dostojewski und Tschechow habe er schon als Kind geliebt, so erklärt Sager seine Hingabe an Russland. Hinzu kam eine Tendenz in seinem Hause - dem ZDF also -, Leute wie ihn - eher links gerichtete Journalisten also - „nach Osten zu schicken“: Was aber konnte einem aufrechten, soziales Elend genau registrierenden Reporter Besseres widerfahren als in das Zentrum des ehemaligen Ostblocks versetzt zu werden? Dessen Befindlichkeiten, so kannte es Sagers Laudator Biermann noch aus der frühen DDR-Zeit des Geehrten, habe er nie mit jener Überheblichkeit geschildert, die manchen seiner West-Kollegen eigen war. Sager, der Zurückhaltende, der kühle Holsteiner. Und einer eben, der sich immer warm anzieht.