Kölner Stadtanzeiger

Kölner Stadtanzeiger - Köln, 25.09.2003

Im Kampf gegen die eigene Emotionalität

Antonia Rados und Ulrich Tilgner erhielten den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2003

Die beiden Kriegsberichterstatter wurden in Köln für ihre journalistische Unabhängigkeit ausgezeichnet.

VON RÜDIGER HEIMLICH

„Es gibt nur eins, auf das ich wirklich stolz bin", erklärte Antonia Rados als sie aus Bagdad zurückkehrte: „Als der Krieg zu Ende war, rief mich die RTL-Redaktion an und fragte mich: Ja, sag mal, warst du denn jetzt für den Krieg oder dagegen?" - Mit dieser Neutralität empfahl sich die RTL-Reporterin für den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus, den sie gestern gemeinsam mit ihrem ZDF-Kollegen Ulrich Tilgner in Köln entgegennahm. Die beiden Reporter erhielten die Auszeichnung für ihre lebensgefährliche Arbeit in Bagdad. Rados und Tilgner hätten „unter den extremen Bedingungen der Kriegsberichterstattung ihre professionelle Qualität und ihre journalistische Unabhängigkeit bewahrt und bewiesen", so die Begründung der Jury.
Journalisten sollen sich nicht vereinnahmen lassen, hatte Friedrichs Journalisten zur Maßgabe gemacht. Das wird besonders schwierig in Zeiten, da sie mitten im Geschehen stehen, ohne genau zu wissen, was wirklich passiert. „Ich kämpfe ständig gegen die eigene Emotionalität", erklärte Rados, insbesondere in jenen Momenten, wo sie unschuldige Kriegsopfer sehe. Rados erklärte, letztlich sei es unmöglich, die Kriegsrealität widerzuspiegeln. „Das geht nur, wenn der Krieg vorbei ist und man recherchieren kann."

Und Ulrich Tilgner resümierte seine Erfahrung: „»Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit«-diese alte Journalistenweisheit hat sich endgültig überholt. Die Wahrheit wird immer relativer." Während die Zuschauer per Knopfdruck zwischen den verschiedenen Kriegsschauplätzen wählen könnten, gelinge es den Kriegführenden die Medien „in bisher unbekannter und nicht vorstellbarer Weise zu nutzen und sie in eine neue Front einzubinden - in die Front des Informationskrieges". Die so genannten „embedded TV-Teams" -also Reporter, die mit den britischen und amerikanischen Truppen fuhren - gaben den Militärs die Möglichkeit live im Fernsehen zu verfolgen, wie es um die Moral der Truppe bestellt ist. Pressekonferenzen dienten den Militärs nur noch zu taktischen Zwecken, weil sie wüssten, dass der Gegner auch TV schaut. „Wer glaubt, im Krieg von Militärs wirklich informiert zu werden, ist naiv", meinte Tilgner. Nicht mehr die Beschaffung der Bilder, sondern ihre Auswahl sei unter diesen Umständen das journalistische Problem. Es werde immer schwieriger Täuschungen und Inszenierungen zu durchschauen. Dabei sprach sich Tilgner nicht grundsätzlich gegen die Kollegen aus, die mit den Truppen fuhren. Einige hätten auch berichtet, was den US-Militärs gar nicht recht gewesen sei.

„Man muss auch demütig sein, wenn man in einer solchen Situation nicht alles sagen kann", meinte Rados. „Wie wären wir auch angegriffen worden, wenn wir auf das Wenige verzichtet hätten. Wenn wir gesagt hätten, das ist es uns nicht wert, dorthin zu gehen?" Für Tilgner ist die Kriegsberichterstattung trotz aller Risiken notwendig - sonst begebe man sich jeder Möglichkeit, die einseitigen Informationen der Kriegführenden zu überprüfen. Der BBC-Chefkorrespondent John Simpson erklärte in seiner Laudatio auf die Preisträger, dass Journalisten zunehmend in die Situation gedrängt würden, als „Cheerleader" die Vorgänge gleichsam anzufeuern oder zu beklatschen. Gegen die zunehmende Zahl getöteter Journalisten auf Kriegsschauplätzen - während des Irak-Krieges wurden 17 Journalisten getötet - sollten die BBC, deutsche und französische Sender entschieden vorgehen.

Die 50-jährige Österreicherin Rados (RTL, n-tv) ist seit 1978 Krisenberichterstatterin und war unter anderem in Chile. Südafrika, Somalia, Iran und Kabul im Einsatz. Für ihre Berichte aus Bosnien wurde sie mehrfach ausgezeichnet. ZDF-Reporter Tilgner, 55. berichtete bereits 1991 aus Bagdad. Seit März 2002 leitet er das ZDF-Büro in Teheran.

Der Förderpreis wurde dem 1971 in Australien geborenen Eric Friedler für seine investigativen Filmbeiträge zuerkannt. Als Beispiel wurde der NDR-Beitrag ,.Konvoi in den Tod" genannt, in dem er recherchierte, dass Tausende gefangene Taliban-Kämpfer unter den Augen von US-Soldaten getötet wurden.