Kölner Stadtanzeiger
Kölner Stadtanzeiger - Köln, 23.10.1995
Eitel
„Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis“ (WDR)
Von Rüdiger Heimlich
Nach der Neujahrsansprache des Kanzlers, der Weihnachtsandacht des Bundespräsidenten und den Grußworten des ZDF-Intendanten zum Jahreswechsel werden wir diese öffentlich-rechtliche Messe in frömmster Erinnerung halten.
Wir wurden Zeugen der Seligsprechung des großen Moderators durch die Mitgliederversammlung unter Leitung ihres ersten Vereinsvorsitzenden, welcher aus dem Buch journalistischer Tugenden las. Die erste Reihe dekorierten Kardinäle, Bischöfe und Hostienträger der letzten Freidenkerkirche Deutschlands. Auch Politiker waren geladen, aber nur die Sanften und Rechtgläubigen. Nach dem Mea culpa wurde selbstbeweihräuchert.
Diese öffentlich-rechtliche Haupt- und Staatsaktion, was soll sie uns sagen? Daß die Öffentlich-rechtlichen vom eigenen Geiste verlassen sind - müßten sie ihn sonst so heftig als „Vermächtnis“ beschwören? Daß „Haltung" bei ARD und ZDF keine Selbstverständlichkeit mehr ist - müßte man sie sich sonst ans Revers heften? Daß man den eigenen Preis(-Träger) von morgens bis abends durch die eigenen TV- und Radio-Sender vermelden muß - weil ihm dies erst Wichtigkeit leiht? Das alles mutet nur eitel an.
Thomas Roth aber sei hiermit aufrichtig gratuliert.