Berliner Zeitung
Berliner Zeitung - Berlin, 16.10.1999
Erklär' mir die Welt
Wolf von Lojewski erhält den Hanns-Joachim-Friedrich-Preis
Von Reinhard Lüke
Dienstagnachmittag, kurz nach 14 Uhr. Wolf von Lojewski sitzt in seinem Büro im ZDF-Sendezentrum auf dem Mainzer Lerchenberg und nippt an seinem Kaffee. Der Raum mit dem Charme eines Wohncontainers ist eindeutig Arbeitszimmer. Private Accessoires, mit denen sich dem unwirtlichen Zweckbau womöglich ein bisschen Heimeligkeit abringen ließe, sucht man hier vergebens. Bis zum „heute-journal" am Abend sind es noch sieben Stunden und mehrere Redaktionskonferenzen hin.
Das Top-Thema werden an diesem Tag wahrscheinlich die neuen Überlegungen der SPD zur Vermögensteuer sein. „Nun ja", sagt von Lojewski und verschränkt die Arme hinter dem Kopf, „das scheint die neue soziale Komponente der Regierung Schröder werden zu sollen. Dabei ist nun so eine Idee wie die Besteuerung von Millionären herausgekommen. Ich denke, dass die eigentlich sowieso Steuern zahlen sollten, aber ob sie das auch tun, ist offenbar die Frage."
Nicht dass diese Sätze schon der Moderationstext für die Sendung wären (den schreibt er immer erst nach der „heute"-Ausgabe um 19 Uhr), dennoch birgt diese beiläufig dahingesagte Einschätzung schon einige Qualitäten, für die der Moderator am Montag in Köln mit dem „Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 1999" ausgezeichnet wird. „Wolf von Lojewski", so heißt es in der Begründung der Jury, „vermittelt dem Zuschauer die Ereignisse des Tages in einer bildhaft erzählenden, völlig unpathetischen Sprache."
Mit feiner Ironie
Das ist gut gesagt, beschreibt aber nur die Hälfte seiner Moderationskunst. Denn wie keinem anderen im deutschen Nachrichtenwesen gelingt dem 62-jährigen von Lojewski regelmäßig der kunstvolle Spagat zwischen souveräner Kompetenz und der Naivität eines neugierigen Zeitgenossen. Statt den Allwissenden zu mimen, findet er mit traumwandlerischer Sicherheit immer wieder eine Sprache, bei der eine feine Ironie die Distanz zum Gegenstand und zum Nachrichten-Geschäft gleichermaßen offen legt, ohne dass man wie bei seinem ARD-Konkurrenten Ulrich Wickert immer den Verdacht hätte, sie diene in erster Linie der eitlen Selbstbespiegelung.
Natürlich räumt auch Wolf von Lojewski ein gerüttelt Maß an Eitelkeit („Sonst würde man diesen Job nicht machen.") bereitwillig ein, aber als alter Hase der Nachrichten-Vermittlung muss er damit nicht mehr kokettieren. In den 60er-Jahren verdiente sich der studierte Jurist seine ersten Sporen im Dritten Programm des NDR. Später schickte ihn die ARD zwei Mal als US-Korrespondent nach Washington. Zwischenzeitlich fungierte er als Leiter der „Weltspiegel"-Redaktion, war Moderator der „Tagesthemen" und ARD-Korrespondent in London, bis ihn 1992 das Angebot des ZDF als Leiter und Moderator des „heute-journals" erreichte.
So fällt denn auch seine Reaktion auf die jüngste Ehrung eher verhalten aus: „Ich könnte natürlich sagen, dass dieser Preis mir Kraft gibt und mich ungemein ermuntert in meinem Tun fortzufahren, aber diesen Schmus kann ich mir nach 30 Jahren im Beruf wahrscheinlich schenken. Ich hatte eigentlich gedacht, man würde mal schauen, was sich bei den jüngeren Kollegen so rührt, aber, anyway, ich fühle mich natürlich geehrt."
Und auch dass kein Geringerer als sein Parteichef Gerhard Schröder (von Lojewski ist SPD-Mitglied seit 1963) am Montag die Laudatio halten wird, amüsiert ihn mehr, als dass er nun in Ehrfurcht erstarren würde: „Ich bin gespannt, was der Herr Bundeskanzler über mich zu erzählen hat." Vermutlich wird er die Lobpreisung mit einem Lächeln zur Kenntnis nehmen und sich im Stillen fragen, welchen Redenschreiber im Kanzleramt man zu dieser Laudatio verdonnert hat.
Und am nächsten Tag wird Wolf von Lojewski, als sei nichts gewesen, beim ZDF wieder seinem Tagesgeschäft nachgehen, ungeliebte Konferenzen über sich ergehen lassen und abends darüber nachdenken, wie man die Ereignisse des Tages den Zuschauern nahe bringen könnte. Und vielleicht gelingt ihm dann wieder so eine Moderationsperle wie diese: „Heute Nachmittag", so leitete er einst einen Bericht über die UN-Mission in Afrika ein, „haben die Kollegen versucht, mir Somalia zu erklären. Ich muss zugeben, es hat lange gedauert." Ein inzwischen viel zitierter Klassiker, der geradezu idealtypisch Lojewskis Selbstverständnis als Moderator entspricht: „Ich bin in erster Linie der Vermittler zwischen dem Experten oder Korrespondenten vor Ort und dem Zuschauer. Es bringt wenig, auf einen mit Zahlen und Insider-Informationen gespickten Beitrag noch mehr Statistiken und Erkenntnisse oben drauf zu setzen. Da sag ich lieber: Schön und gut, aber erklär' mir das mal."
An diesem Dienstag lässt der Militärputsch in Pakistan im „heute-journal" das vermeintliche Top-Thema „Vermögensteuer" schließlich nach hinten rutschen. Und seinen morgens gefassten Vorsatz, abends etwas freundlicher drein zu schauen, hat Wolf von Lojewski offenbar längst wieder vergessen. Mehr Melancholiker denn Zyniker liegen ihm Witzeleien so wenig wie die billigen Betroffenheits-Attitüden mancher Kollegen.
Seine Frau Ute wird an diesem Tag auf jeden Fall mit ihm zufrieden gewesen sein. „Meine Frau", so erklärt von Lojewski schmunzelnd, „zieht mich morgens immer ordentlich an und ist dann entsetzt, wie ich abends aussehe." Die Krawatte, die ihm am Nachmittag locker um den Hals hängt, sitzt während der Sendung tadellos.
„Wolf von Lojewski vermittelt dem Zuschauer die Ereignisse des Tages in einer bildhaft erzählenden, völlig unpathetischen Sprache.“
(Begründung der Jury)