Nikolaus Brender

Dankesrede anlässlich der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises für Fernsehjournalismus 2009.

"Liebe Frau Michel, liebe Frau Friedrich. Lieber Herr Schächter, ich bin Ihnen besonders dankbar, dass Sie gekommen sind. Lieber Herr Schirrmacher.

Nach einer solchen Rede fühlt man sich so, wie nach dem Anruf von Frau Friedrichs im Frühjahr diesen Jahres am frühen Abend und sie mir sagte, Herr Brender, sie sind zum Träger des Friedrichs-Preises ausgewählt worden. Und ich hatte dann erstmal sehr zurückhaltend reagiert, weil man ja immer damit rechnen muss – es ist auch schon passiert -, dass Redakteure des Focus anrufen und einen dann auf das Glatteis führen wollen. Aber ich habe Ihre Stimme erkannt und doch ist mir der Hörer bald aus der Hand gefallen. Denn die Begründung, die Haltung eines Journalisten als preiswürdig zu empfinden und zu nennen, ist gerade auch für einen Chefredakteur besonders schwierig. Weil er ja nichts anders tut als das, was er ohnehin tun muss.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, eine Redaktion zu führen, bestimmte Entscheidungen zu treffen, die nach unseren journalistischen Kriterien ohnehin alltäglich sein sollen: Unabhängigkeit, Unvoreingenommenheit, eine klare Beziehung zu dem, was man hat, ein einigermaßen menschlicher Umgang mit den Journalisten, mit seinen Kolleginnen und Kollegen und vor allem natürlich ein kritischer Blick auf die Öffentlichkeit. Und ich sage das hier, weil ich aus diesem Hause ja auch komme. Und ich glaube, in diesem Raum war es häufig, wenn ich es richtig sehe, sind zu Weihnachten immer die Lebkuchen-Sitzungen mit den Gremien, Herr Grätz, haben hier immer stattgefunden. Das heißt, ich bin Gremien erfahren. Aber auch die Lebkuchen, die haben – ich sag mal, hier in Köln nicht besonders gut geschmeckt – aber das hat mich jetzt auch nicht besonders negativ gegenüber den Gremien eingenommen.

Dieser Raum war aber auch aus einem anderen Grund für mich besonders wichtig, weil in diesem Raum hatten wir im Jahre 1997 die Programmreform des Westdeutschen Rundfunks, des Fernsehens durchgesetzt. Und hier gab es eine große Redaktionsversammlung. Da ging es heiß her, da wurde gestritten, da wurde gefochten, da wurde dem Chefredakteur alle möglichen Dinge unterstellt - Frau Mikich, Sie gehörten auch dazu: Populismus, zu nahe an das Publikum heran, ausmerzen des Informationsgehaltes. Aber wir haben das ernst genommen. Die Journalisten haben miteinander gestritten und gekämpft. Und das ist das, was mich auch besonders freut, dass Fritz Pleitgen heute Abend da ist, weil er zu denen gehört, die mir immer gesagt haben, gehen Sie an die Grenzen, manchmal auch an die Grenzen des Etats. Aber vor allem gehen Sie auch an die Grenzen des Programms und nutzen Sie die Zeit, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen zu kämpfen für ihr Produkt, für die Sendungen, für Filme und Beiträge bis zum letzten Moment. Und das geht nicht ohne Auseinandersetzung.

Ich glaube, das ist das Elekzier des Journalisten. Und von Redaktionen in sich und unter sich zu kämpfen, sich auseinander zu setzen, weil dort die Freiheit des Arguments sich zeigt, das ist übrigens das beste Antibiotikum gegen unkontrollierte Einflussnahme. Wenn sich die Redaktionen untereinander kennen, wenn sie die Argumente kennen, wenn sie die Filme kennen, wenn sie wissen, woher die und wie die Motive zu Filmen entstehen, dann wissen sie sich auch selbst einzuschätzen. Und sie wissen übrigens dann auch den Einfluss einzuschätzen, der von außen kommt und den wir begrenzen müssen.

Haltung zu prämieren ist eine große Sache vor allem für den, der den Preis erhält. Nun gibt es Preisträger, die in einem anderen Raum hier in der Nähe von Köln gesagt haben, nein, ich nehme ihn nicht an – Herr Schirrmacher, der sitzt ganz in Ihrer Nähe -, und ein anderer, der weiter weg ist in Washington DC, der hat gesagt, ich habe ihn nicht verdient, ich nehme ihn aber trotzdem an. Ich nehme diesen Preis sehr gerne an und ich freue mich sehr!
Weil Hanns Joachim Friedrichs – und das werde ich nie vergessen – auf seinem Stuhl in Hamburg saß und dort nicht nur saß und moderierte aus der Kälte eines Studios, sondern vor all den Beiträgen, die er anmoderierte, auch mit den Korrespondenten in aller Welt telefonierte.

Ich weiß es noch, in Bolivien, ein Beitrag, da ging es um Drogenbekämpfung, oder in Chile, ein besonders kritischer Beitrag über Pinochet, und er sagte: „Herr Brender, bleiben Sie ruhig, aber bleiben Sie dran!“ Und diese ruhige Stimme brachte auch den Korrespondenten und den Reportern Sicherheit. Und wir wussten, wer hinter dieser Stimme steckt und vertrauten ihm. Insofern war er für uns hier die Jüngeren, Thomas Roth und andere, ein väterlicher Ratgeber. Und wir mussten uns nicht fürchten, ihn mal anzurufen, auch wenn es spätabends war. Deswegen bin ich sehr glücklich, in seinem Namen diesen Preis zu erhalten.

Und ich erinnere mich an ein Gespräch in Rodenkirchen, als er mir über die Auseinandersetzungen im Sender des Norddeutschen Rundfunks mit der ARD berichtete und ich mich damals wunderte, wie ruhig er eigentlich geblieben ist und trotzdem standfest. Und diese Debatte, die zur Zeit hier geführt wird, teilweise mit denselben Argumenten bis hin in den Sprachduktus – ist ja nicht neu. Und deswegen bin ich auch sicher, dass er überwunden wird, weil Hanns Joachim Friedrichs für uns alle ein Vorbild ist – mit seinem Charakter, in seiner Art, wie Journalismus weitergegeben wird, vor allem auch an junge Leute, so wie wir von ihm den Ansporn bekommen haben, so glaube ich oder hoffe ich, dass dieser Preis für viele junge Leute, für viele junge Kollegen und Kolleginnen, Journalistinnen und Journalisten in ARD und ZDF ein Ansporn sein kann.

Haltung kommt von Prägung. Und ich bin geprägt worden hier im Westdeutschen Rundfunk durch Fritz Pleitgen. Ich bin aber auch geprägt worden im Zweiten Deutschen Fernsehen. 10 Jahre jetzt, als mich Dieter Stolte geholt hat, der eine hat mich getrieben, weit hinauszugehen, voranzutreiben, auch mal zu explodieren, der andere hat mich wieder ins Maß zurückgeholt, ohne den Anspruch zu verlieren. Beides hatte ich wohl nötig.

Und jetzt arbeite ich mit einem Intendanten, dem ich vieles zumute. Und der es nicht nur erträgt, sondern es mit Noblesse erträgt und mit eisernem Willen. Und die Zumutung ist nicht eine Sache zwischen uns beiden, oder was die Person Brender angeht, sondern es ist eine Zumutung, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur ertragen muss, sondern die er tragen muss! Zumutungen von außen, die nicht unserer Profession entsprechen, haben kein Recht im Alltag, im täglichen journalistischen Leben einer Fernsehanstalt!!

Also insofern hatte ich Glück. Das ist wahrscheinlich der wesentliche Grund, warum ich jetzt für eine Haltung ausgezeichnet werde – und das mit 60 Jahren. Da kann man einen Preis ohnehin nicht ablehnen.

Ich will aber noch mal, um zum Schluss zu kommen, Sie hatten ja jetzt auch mehrfach den 18. September erwähnt. Das war übrigens ein Zeichen dafür, das macht man nicht alleine, sondern neben mir saß Hartmann von der Tann. Und die Sicherheit und Festigkeit einer Redaktion kann nur in der Gemeinsamkeit, in der Zusammenarbeit von Journalisten wachsen. So wächst Haltung. Haltung ist kein einsames Gewächs. Und die Auseinandersetzung, die wir führten hier mit Thomas Roth, mit Claus Kleber, mit Bettina Schausten, Peter Frey, Hartmann von der Tann und den anderen, die bringen die Konsistenz und den Charakter von Redaktionen, eines Senders. Das ist die Haltung, nie ein einzelnes Verdienst. Und dafür bin ich dankbar.

Das öffentlich-rechtliche System hat trotz aller Kritik, die man an ihm leisten kann, eine Menge auf die Waage gebracht an großen Dokumentationen, an wichtigen Informationen und vor allem eine kontinuierliche Dienstleistung an unserem Publikum. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört allen und nicht den einen mehr oder den anderen weniger. Und deswegen haben auch nicht die einen größere Rechte an der Besetzung von Personal und dem Einfluss aufs Programm als die anderen. Unsere Legitimität, unsere Glaubwürdigkeit müssen wir beim Publikum einholen. Und das Tag für Tag. Und dafür, Frau Friedrichs, war Ihr Mann uns allen ein großes Vorbild. Und ich gehe zufrieden nach Hause. Ich werde nicht abheben, denn spätestens zu Hause wird meine Frau und meine Tochter auf mich zukommen und sagen: Papi, Hic Rhodos hic salta, hier ist der Boden, bleib mal schön darauf stehen. Und das wird auch so sein. Ich bedanke mich sehr herzlich!"