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FAZ - Frankfurt a. M., 20.04.2004

So ist Polen nicht verloren

Korrespondentin Annette Dittert erhält Hajo-Friedrichs-Preis

Eine Journalistin, die mit ihren Berichten "die Aufmerksamkeit des Fernsehpublikums auf ein Nachbarvolk richtet, das aus den Köpfen vieler Deutschen verschwunden zu sein scheint", zeichnet die Jury des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises aus. Die Rede ist von der Polen-Korrespondentin der ARD, Annette Dittert. Sie konzentriere sich "auf das Erzählen kleiner Alltagsgeschichten", meint die Friedrichs-Jury, wobei man hinzufügen darf, daß sich in diesen "kleinen" Geschichten die "großen" politischen Themen, die Polen, Deutsche und andere angehen, in einer Weise widerspiegeln, die von einzigartiger Nachhaltigkeit geprägt ist. Annette Dittert ist nicht "nur" Korrespondentin, sie macht Dokumentarfilme und erzählt in Bildern, die ob ihrer Deutungskraft haftenbleiben und die - wie die Jury meint - Stereotype bekämpfen und im reinsten Wortsinn "aufklären".

Dies war zum Beispiel bei Annette Ditterts Porträt des letzten fahrenden Filmvorführers in Masuren so, der mit seinem Kino im Lastwagen über das Land zieht. Und es war zuletzt an Karfreitag zu erkennen, als im Ersten der Film "Der stille Bug" lief, den Annette Dittert gemeinsam mit Fritz Pleitgen gedreht hat. Der Korrespondentin und dem Intendanten des Westdeutschen Rundfunks gelang in dieser einen Stunde, in der sie die Zuschauer mitnahmen auf die Reise an jenen Fluß, der in wenigen Wochen die Ostgrenze EU-Europas darstellt, ein Epos, in dem sie Geschichte und Gegenwart in eins zwangen. Sie erzählten zugleich vom untergegangenen Galizien und den Wunden, die zwei Weltkriege gerissen haben, wie von den heutigen Verwerfungen, welche mit der Grenzziehung zwischen "Europa" und den Anrainern im Osten einhergehen. Ein vorweggenommener Auftakt der Europa-Berichterstattung, die uns im Mai zum Beitritt der neuen EU-Mitglieder ins Haus steht, war dies und ein vorgezogenes "Vermächtnis" der Korrespondentin, die einst einen inzwischen legendären Beitrag über den Papst für die "Tagesthemen" fertigte, in den sie Bilder eines Freundes einbaute, die dieser bei einem Privatbesuch im Vatikan mit einer kleinen Digitalkamera gedreht hatte. Die Kamera hatte ihm Annette Dittert mit auf den Weg gegeben. Am 1. Dezember wechselt sie nun als Studioleiterin nach New York. Ihre Stelle in Warschau wird dann vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg besetzt, der sich den Korrespondentenplatz mit dem WDR teilt. Bevor Annette Dittert von 2001 an aus Warschau berichtete, leitete sie von 1992 bis 1996 die Mediensendung "Parlazzo bis 2000 moderierte sie das ARD-"Morgenmagazin". Der mit 5000 Euro dotierte Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis wird zum zehnten Mal verliehen. Preisträger der vergangenen Jahre waren Antonia Rados (RTL), Ulrich Tilgner (ZDF) und der NDR-Redakteur Eric Friedler (2003), Dirk Sager (2002) sowie Gerd Ruge, Alexander Kluge und Günter Gaus (2001).

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